GASTBEITRAG VON THORSTEN KOGGE
Wer will das eigentlich wissen? So könnte die Gegenfrage lauten, dient doch Weinliebhabern und insbesondere einer größeren Masse an Weinkonsumenten diese Rebsorte als Inbegriff für leichte, eher fruchtbetonte Weine, die nicht lange im Keller liegen müssen.
Die Karlsruher Weingruppe “Der Harte Kern”, nie verlegen sich auch den schwierigsten vinophilen Aufgaben zu stellen, wollte es trotzdem wissen und organisierte eine Verkostung überwiegend mit 10 Jahre alten und älteren deutschen Sauvignon Blancs.
Die Trinkstrecke
Sauvignon Blanc – das ist mittlerweile nach einem steilen Aufstieg in den letzten 15 Jahren die weitverbreitetste weiße Rebsorte der Welt nach dem Chardonnay und wird in diesem Sinne eher für die Masse angebaut. Ihren genetischen Ursprung hat die Sorte in einer Zufallskreuzung aus Traminer und Chenin Blanc. Sortenreine Vertreter weisen im Jugendstadium meistens ein Geruchs- und Geschmacksmuster mit hohem Wiedererkennungspotential auf: Viel Stachelbeere, frische, grüne Noten, etwas Blumenwiese – so und ähnlich lassen sich etliche junge SBs beschreiben, meistens besitzen sie einen hohen Trinkfluss und wirken dank der Säure animierend.
Im Loiretal, wo der Sauvignon Blanc historisch beheimatet ist, gedeihen in den AOC-Regionen Sancerre und Pouilly-Fumé dagegen international geschätzte Spitzenweine.
Im Bordeaux nimmt das weltberühmte Château d‘Yquem den Sauvignon Blanc als Verschnittrebsorte. Der 2011er 1er Cru Supérieur Classé bekam 97 Parker Punkte und kostet stolze 500 €, es handelt sich um eine Cuvée aus Sauvignon Blanc und Sémillon. Zumindest das Reifepotential dieser Weine dürfte außer Frage stehen, allerdings sind Süßweine diesbezüglich ohnehin gesondert zu beurteilen.
In Deutschland verhält es sich dagegen wie mit dem kleinen gallischen Dorf bei Asterix & Obelix: Alle Sauvignon Blancs müssen jung getrunken werden. Alle…? Wir haben in unserer kleinen, neugierigen Runde, zu der wir VDP-Winzer Markus Drautz eingeladen hatten, ein paar „widerstandsfähige“ Sauvignon Blancs probiert und solche von denen wir gehofft hatten, „widerstandsfähig” zu sein. Das Weingut Drautz-Able, Württemberg, kann für sich einen gewissen Pionierstatus beanspruchen: Sie waren die ersten in Deutschland, die bereits 1984 Sauvignon Blanc anpflanzten. Sie haben deshalb sehr viel Erfahrung mit dieser Rebsorte. Außerdem ist Drautz-Able Mitbegründer der württembergischen „Studiengruppe neues Eichenholzfass – HADES“. Kein Nachteil, wenn man SB langlebig im Holz ausbauen möchte.
Die Unterschiedlichkeit der Resultate selbst innerhalb einunddesselben Jahrgangs zeigen vor allem, wie stark der Winzer in diesem Fall die Langlebigkeit seines Weines beeinflussen kann. Würdevoll gereifter Sauvignon Blanc – das sind Konzeptweine auf hohem Niveau, die ihre jugendliche Leichtigkeit bewahren ohne dabei banal zu werden, deren Zitrusnoten noch weicher werden (oftmals eher Richtung Limette und Zitronengras) und die manchmal vom gekonnten Holzeinsatz an Balance gewinnen.
Die Highlights der Probe in der Diskussion
Das Weingut von Peter Dipoli aus Südtirol haben wir als Referenz hinzugefügt. Es wurde 1987 mit gerade einmal 1,2 ha Fläche gegründet und 1990 komplett mit Sauvignon Blanc bepflanzt. Unser Probenwein war der 2008er Voglar DOC. In der Nase sowie am Gaumen unglaublich frisch und lebendig. Für seine 13,5% erstaunlich leicht und balanciert, dennoch griffig. Exotisches Fruchtspektrum und viel Rhabarber. Sehr ordentliche Länge, ist jetzt optimal zum Trinken.
Eine sehr typische Spätlese war der 2005er vom Weingut Metternich, Gräflich Wolff, Schloss Grohl (Baden/Ortenau). Dieser zeigt sich im Glas goldgelb und auch in der Nase mit sehr charakteristischer Spätlesenote: Akazienhonig und Harz, etwas Salbei und Thymian. Am Gaumen ausgewogen mit großer Länge und für sein Alter erstaunlicher Frische. Jetzt bis 2020 trinken.
Bernhard Ellwanger (Württemberg) ist mit seinem 2004er Sauvignon Blanc „Junges Schwaben“ QbA ein kräftiger Wein gelungen. Leichtes Zitronengelb im Glas, in der Nase mit sortentypischen Aromen, am Gaumen, die Mitte bleibt etwas eindimensional. Trotzdem schöne Balance, der Wein gewinnt noch mit Luft.
Der 2004er „Groß auf Fahrt“ war der einzige Sauvignon Blanc aus dem Burgenland in unserer Probe. Jan Gross deklarierte ihn als Tafelwein, der Inhalt der Flasche konterkarierte diese Bezeichnung: In der Nase feine Aromen von Mandarine, Zitrone und Birne. Am Gaumen sehr saftig, toller Trinkfluss und ebenfalls komplexe, leicht exotische Frucht, die nie breit wirkte. Der Wein ist kein bisschen müde und steht super da für sein Alter. Jetzt bis 2022 trinken.
Eine kleine Überraschung gelang dem Weingut Weik mit der 2003er Spätlese Hardter Herzog (Pfalz). Wunderbare Zitrusnoten im Spektrum Limette bis Zitronengras, fast wie der Duft eines thailändischen Currys. Sehr fein, präzise Frucht, gute Harmonie und Frische. Der Wein steht noch gut da und hat eine ordentliche Länge.
Als einfache QbA deklariert offenbarte der 2003er Sauvignon Blanc „Drei Trauben“ von Drautz-Able (Württemberg) ein kleines reduktives Feuerwerk in der Nase. Hierbei mit intensiven Zitronengrasnoten und Limette, am Gaumen sehr saftig, tolle Frucht-Säure Balance. Mit Luft etwas mehr Steinobstaromatik. Gute Länge und in Würde gereift. Jetzt bis mindestens 2020 trinken.
Der Gewinner des Abends
Der Gewinner des Abends im Sinne der Fragestellung war der 1990er „Hades“ von Drautz-Able. Für einen 25 Jahre alten SB wirkte dieser unglaublich frisch, besaß einen enormen Trinkfluss und zeichnete sich durch eine perfekte Säure-Frucht Balance aus, blieb dabei dennoch würzig und kräftig. Die Balance zwischen Säure und Frucht kann auch als durchgehendes Thema der Weine von Drautz-Able bezeichnet werden: einige Tage nach der Probe statteten wir dem Weingut noch einen Besuch ab und probierten Großteile der Kollektion, bei der diese Balance bei allen Rebsorten, nicht nur beim SB, auffällig gut durchgehalten wurde. Hierüber wird vielleicht ein anderes Mal berichtet…
Fazit
Deutscher Sauvignon Blanc kann reifen, allerdings erreichen nur wenige Vertreter dieser Rebsorte das Stadium hochgradig komplexer und feiner Reifearomen, wie wir sie beispielsweise vom Riesling kennen. Die besten Vertreter halten ihre Balance über Jahre hinweg und es entstehen vielschichtige Aromen, die zwar wegen ihres Zitruseinschlags noch erahnen lassen, wie sich der Wein jung präsentierte, die jedoch andererseits eigenständig genug sind, um die Weine für weitere Jahre in den Keller zu legen.
Text: Thorsten Kogge
Fotos: Joachim A. J. Kaiser