Wine & Dine bei Joachim Kaiser im Wirtshaus Meyers Keller *


Links Joachim Kaiser Wein, rechts Joachim Kaiser Restaurant
Joachim Kaiser links und Joachim Kaiser rechts

Wine & Dine bei Joachim Kaiser im „Wirtshaus Meyers Keller“, Nördlingen, 
9. November 2013

Was macht man als Mensch des 21. Jahrhunderts, wenn man sich über sich selbst informieren möchte? Richtig, man googelt.
Sucht man nach „Joachim Kaiser“ im Netz, so findet man erst mal seitenweise Referenzen auf den Musikkritiker, dann ein paar Ärzte und einen Schauspieler.
Bei der Suche mit dem Zusatz „Wein“ taucht mein VINOSITAS Blog auf und ich finde sogar ein Foto von mir – und von einem weiteren Joachim Kaiser. Das scheint ein vinophiler und kulinarischer Name zu sein, ein Joachim Kaiser ist Besitzer eines Restaurants und Weinladens, der „Weinschmiede“, in der Nähe von Berlin, der andere ebenfalls Besitzer eines Restaurants, des „Wirtshaus Meyers Keller“ und Sternekoch in Nördlingen. Da muss ich natürlich hin!

Es trifft sich gut, dass in Nördlingen der Direttore wohnt und arbeitet, seines Zeichens Betreiber der La Gazetta del Vino. Da Meyers Keller sozusagen seine verlängerte Küche ist, fällt es ihm nicht schwer kurzfristig einen Termin für sechs Personen zu arrangieren. Und so schlagen wir am 09.11.2013 in Nördlingen auf.
Der Patron ist an diesen Abend leider nicht anwesend, dringender Termin in München, aber wir werden äußerst zuvorkommend von Frau Kaiser umsorgt.

Am Tisch sitzen, außer dem Direttore und mir, Bernd Klingenbrunn, Weinhändler, seine Frau Barbara, Hotelfachfrau und zwei Nachwuchstrinker. Da bleibt es nicht aus, dass die Weinkarte eifrig studiert wird. Der Direttore in seinem jugendlichen Leichtsinn braucht unbedingt was gereiftes. Er besteht auf dem 2001er Chablis Vieille Vignes von Billaud-Simon. Es bleibt nicht bei einer Flasche und der Wein begleitet uns zum Amuse Gueule und bei den Fisch- und Meeresfrüchtegerichten. Selbst die gebratene Blutwurst, zu der einige von uns den gereiften Chablis trinken, steckt er anstandslos weg.

Appetithäppchen: Frischkäse im Knupsermantel, Gurkeneis und Erdnussbutter
Wein: 2001 Mont de Milieu Vieille Vignes, Chablis Premier Cru, Domaine Billaud-Simone
Wein: 86, Speise: 88, Wein-Speise-Kombi: 87
Der Chablis weißt bereits deutliche Reifenoten auf, der Körper wirkt aber noch nicht gezehrt, noch Frucht – unspezifisch gelbfruchtig, noch deutliche Säure, die dem Wein Präsenz verleiht. Zum Frischkäse und dem Gurkeneis macht sich der Chablis gut, die Erdnussbutter mag er überhaupt nicht.

1. Gang: Tiefsee-Garnele mit Marzipan, Knoblauch und Limettenöl confiert, dazu Olivenöl-Eis und Olivenschaum
Wein: 2001 Mont de Milieu Vieille Vignes, Chablis Premier Cru, Domaine Billaud-Simone (2. Flasche)
Wein: 89, Speise: 90, Wein-Speise-Kombi: 90
Die zweite Flasche Chablis präsentierte sich immer noch deutlich gereift, aber etwas frischer, sozusagen mit ‚Lachfalten‘. Die Aromen, die die Garnele begleiten, könnten den zarten Geschmack der Garnele erschlagen, tun sie aber nicht. Sie sind vornehm zurückhaltend eingesetzt, und deshalb integriert sich auch der gereifte Wein ganz ausgezeichnet.
1. Gang: Gänseleberterrine und geräuchertes Forellenfilet in lauwarmer, geschäumter Milch von der Pastinake
Wein: 2001 Mont de Milieu Vieille Vignes, Chablis Premier Cru, Domaine Billaud-Simone (2. Flasche)
Wein: 89, Speise: 90, Wein-Speise-Kombi: 90
Wie schon bei der Garnele passt auch hier der Chablis ganz hervorragend. Keine der Ingredienzien des Gerichts dominiert. Selbst die Pastinakenmilch ordnet sich dem Gesamtbild unter.
1. Gang: Gebratene Blutwurst auf schwarzem Bohnen-Püree mit Piment d’Espalette und gemahlenen Macadamia-Nüssen
Wein: 2001 Mont de Milieu Vieille Vignes, Chablis Premier Cru, Domaine Billaud-Simone (2. Flasche)
Wein: 89, Speise: – , Wein-Speise-Kombi: –
Nicht von mir probiert, aber die Freunde sind sehr angetan.

2. Gang: Gebratenes Saint-Pierre-Filet auf Safran-Fenchel-Gemüse unter der Kamille-Folie
Wein: 2001 Mont de Milieu Vieille Vignes, Chablis Premier Cru, Domaine Billaud-Simone (2. Flasche)
Wein: 89, Speise: 91, Wein-Speise-Kombi: 92
Hier läuft der Chablis zu voller Fahrt auf. Safran, Fenchel und die gelbfruchige Edelfirne des Weins verschmelzen zu einen verblüffend einheitlichem Geschmackserlebnis mit dem St-Pierre als taktiler Basis.
2. Gang: Gebratenes Rochenfilet auf süß-saurem Kürbisgemüse mit fritierten Kabern und heißer Mayonnaise
Wein: 2001 Mont de Milieu Vieille Vignes, Chablis Premier Cru, Domaine Billaud-Simone (2. Flasche)
Wein: 89, Speise: -, Wein-Speise-Kombi: –
Nicht von mir probiert, es gibt aber keine Beschwerden, nur zufriedene Gesichter.

3. Gang: Rebhuhn an der Karkasse gebraten auf gebundenem Paprika-Kraut mit Kartoffel-Würfel
Wein: 1996 Ch. Moulin Haut-Laroque, Fronsac
Wein: 91, Speise: 94, Wein-Speise-Kombi: 93
Schnörkellos, geradlinig, zum Reinsetzen! Der Fronsac auf dem Punkt, mittelgewichtig, genau richtig zum Rebhuhn.
3. Gang: Rib-Eye vom Milchkalb mit geschmorten Birnen, schwarzen Nüssen und geräucherter Gänseleber
Wein: 1996 Ch. Moulin Haut-Laroque, Fronsac
Wein: 91, Speise:- , Wein-Speise-Kombi: –
Nicht von mir probiert, laut Aussage sehr gut.

3. Gang: Rosa gebratener Hirschrücken mit Hagebuttenmark, Petersilienpulver und confierter Petersilienwurzel
Wein: 2004 Ch. de Boscq, Saint-Estephe
Wein: 93, Speise: 95, Wein-Speise-Kombi: 95
Gerne wären wir bei dem Fronsac geblieben, es war leider die letzte Flasche. Ich wähle den 2004er Ch. de Bosq, ein kleiner Bordeaux, von dem ich bereits gute 80er und 90er Jahrgänge getrunken habe. Das erweist sich als Glücksfall, der 2004er ist unglaublich präsent, seidenweiche Tannine, harmonische Frucht, perfekt in der Balance. Der Hirsch ist butterzart, Fleisch, Hagebuttenmark und Wein rauschen als expressionistisches Glanzlicht durch den Gaumen und das limbische System, mit der Petersilie als interessantem, pointillistischem Tupfer. Genial!

4. Gang: Käseauswahl
Wein: 2004 Ch. de Boscq, Saint-Estephe
Wein: 93, Speise: 93, Wein-Speise-Kombi: –
Auf eine Bewertung der Kombination habe ich aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Käsesorten verzichtet. Zu den Hartkäsen passte der de Boscq gut, zu den anderen weniger bis gar nicht. Da der de Boscq unsere eigene Auswahl war, trifft das Restaurant natürlich keine Schuld. Ich habe zusätzlich ein Glas Süßwein bestellt, der deutlich besser zum Blauschimmel und den kräftigen Weichkäsen passte, aber aufgrund des fortgeschrittenen Abends vergessen mir Notizen dazu zu machen.

5. Gang: Pochierter weißer Pfirsich mit Verbene, Mandel, Himbeere und Basilikum
Wein: Süßwein, siehe Text zum 4. Gang
Wein: -, Speise: 92, Wein-Speise-Kombi: –
Auch diesmal zeigt sich, was Süßes geht immer noch. Und es hat sich auch gelohnt. Spannend die leichte Bitternis der Verbene zum nicht wirklich süßem Pfirsich und der Kontrast Himbeereis und Basilkum.

Zum Abschluss nehmen wir noch den Vogelbeer-Brand von Andre Christon. Was für ein phantastischer Duft! Am liebsten würde ich ins Glas hüpfen.

Frau Kaiser lässt es sich nicht nehmen, uns den Weinkeller und die Schinkenreifekeller zu zeigen. Alle Schinken kommen aus der Region und reifen hier Monate, sorgfältig gepflegt, bis sie perfekt auf den Punkt sind. Das Ergebnis ist von überragender Qualität. Wir können uns selbst davon überzeugen.

Fazit: Überwiegend regionale Produkte, schonend und hervorragend verarbeitet, der Stern glüht ganz zu Recht im Meteoritenkrater.

Text und Fotos (soweit nicht anders vermerkt): Joachim Kaiser